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Blog

Der Pragmatist Helmut Erler schreibt zu den Themen Unternehmerfamilie, Unternehmensethik und Logovision.

02 Dezember

Über die Menschenwürde

Der Begriff Menschenwürde wird vielfach genannt. Er ist sogar Teil des 1. Artikels des Deutschen Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Da stellt sich doch die Frage, was das eigentlich ist, die Menschwürde.
Im modernen Sinne versteht man darunter, dass alle Menschen unabhängig von allen ihren Unterscheidungsmerkmalen wie Herkunft, Geschlecht, Alter oder Zustand denselben Wert haben, und dass dieser Wert über dem aller anderen Lebewesen und Dinge steht. Andererseits bezieht sich der Begriff Würde auf das erstrebenswerte Maximum an individueller Freiheit. Derjenige Mensch hat am meisten Würde, der seine Entscheidungen und Handlungen auf ein Höchstmaß individueller Freiheit begründen kann. Es gibt viele theoretische Zugänge zum Begriff Würde. Jener in Bezug auf die maximale Freiheit des Einzelnen hat für den Pragmatisten eine große Bedeutung.
Dass nicht jeder uneingeschränkt frei sein kann, zumindest nicht in soziokulturellen Einheiten, ist logisch. Sobald zumindest zwei Menschen miteinander zu tun haben, müssen sie, sofern sie eine länger andauernde Beziehung haben wollen, Einschränkungen ihrer individuellen Freiheit akzeptieren. Das Zugeständnis größtmöglicher Freiheit an den jeweilig anderen ist dabei sehr hilfreich und wird auch oft als Toleranz bezeichnet. Man möchte zwar selbst alle Freiheiten haben, stellt das harmonische Zusammenleben aber über diesen Wert.
Eigentlich ist es dem Menschen nicht gegeben, auf Freiheiten zu verzichten. Der Mensch wird in eine freiheitsreduzierte Welt sozialisiert – der Säugling als Anarchist. Die Annahme dieser Einschränkungen fällt dann leicht(er), wenn man gemeinsam geteilte Ansichten des harmonischen Zusammenlebens über den Wert der maximalen individuellen Freiheit stellt. Allgemein werden diese ebenso wie die Freiheit als Wert bezeichnet. Es muss also eine Unterscheidung in der Bedeutung der Wichtigkeit von Werten für das Zusammenleben geben.
Üblicherweise wird man, wie schon erwähnt, in ein System von Werten und deren unterschiedliche Wichtigkeit sozialisiert. Diese Werte werden durch das Zusammenleben mit anderen Menschen von frühester Kindheit an erlernt. Fast unbewusst lernen wir Wertekanons, ein etwas seltsamer Fachbegriff für eine unbestimmte Anzahl von Werten, kennen, zu akzeptieren und zu leben. Es gibt aber nicht nur einen für alle Menschen und Gesellschaften gültigen Wertekanon. Die Werte können sich unterscheiden, weil sie von unterschiedlich veranlagten Menschen geprägt werden.
In soziokulturellen Einheiten wie einem Unternehmen, einer künstlich geschaffenen Wertegemeinschaft, bestimmen der Eigentümer oder die oberste Führungsgruppe den jeweils gültigen Wertekanon. Oft ist dieser nicht leicht erkennbar. Ein transparenter Wertekanon, meist sind das vier bis fünf zentrale Werte, der auch auf allen Führungsebenen respektiert und gelebt wird, ist das Fundament jeder Organisation. Er gibt Halt in schwierigen Zeiten und setzt Dynamik frei, wo ansonsten nur Stillstand herrschen würde.
Damit schließe ich den Kreis zur menschlichen Freiheit und zur Menschenwürde. Aktive Menschen suchen sich ihre Freiheiten, um daraus das Meiste zu machen. Durch einen eindeutigen Wertekanon schaffen verantwortungsbewusste und erfolgsorientierte Führungspersönlichkeiten einen Handlungsrahmen, innerhalb dessen sich Menschen alle Freiheiten nehmen können und sollen. Dadurch wird eine Entscheidungs- und Handlungsdynamik ausgelöst, welche die Talente, das Wissen und die Erfahrung uneingeschränkt freisetzt und in den meisten Fällen dazu führt, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Organisation deutlich verbessert wird; zumeist werden die Mitbewerber innerhalb kürzester Zeit überholt. Und das alles, ohne die Menschen in der Organisation wie eine Ressource auszunutzen und zu verbrauchen. Es handelt sich also um ein würdevolles Freisetzen von Energie.
Wie es damit weitergeht, lesen Sie demnächst: Der Mensch als Quelle nicht als Ressource!